Ausstellungsansicht, Galerie im Stammelbachspeicher (Hildesheim), Foto: Jakob Adolphi
Gala Goebel, Lucy König, Julia Miorin, Luise von Rohden, Franziska Paula Wolber
Fünf Künstlerinnen – fünf Positionen: In gemeinsamen monatlichen Treffen stellen sie ihre Arbeiten, Ideen und Projekte zur Diskussion. Im Austausch über ihre jeweiligen künstlerischen Ansätze finden sie Schnittmengen, Berührungspunkte und wiederkehrende Themen. Die Ausstellung in der Galerie im Stammelbachspeicher gibt ihnen Raum, die Verbindungen und Brüche zwischen den Objekten, Videos und Zeichnungen herauszuarbeiten: Welche Erweiterung geschieht in der Gegenüberstellung, welche Bewegungen werden aufgenommen, modifiziert oder verstärkt?
Inhaltliche Berührungspunkte sind Wiederholungen und deren Vergeblichkeit, in Dingen eingezeichnete Handlungen, sowie Ordnungssysteme und Kontextverschiebungen. In der Begegnung der Ausstellungsobjekte klingt das Hinterfragen des scheinbar Festgelegten an, indem sie immer wieder von neuem behaupten: This is not a … it’s a … .
Luise: Julia, deine Arbeiten sehen manchmal aus wie Dinge, die ich irgendwie gebrauchen kann. Du, Gala, nennst zwei Fotos von je verschiedenen Porzellanservices Portrait I und Portrait II oder betitelst eine Fotoreihe, die ausschnitthaft Wärmflaschen zeigt, als Bäuche. Du, Lucy, beschäftigst dich schon lange mit der menschlichen Haut, das Nachdenken über sie immer mehr erweiternd: Haut, Kleidung, Wohnungen. Der Mensch, seine Leiblichkeit und seine Handlungen sind für mich in euren Arbeiten sehr präsent. Was für eine Rolle spielt seine Anwesenheit beziehungsweise Abwesenheit?
Lucy: Mir ist es wichtig, dass sich der Betrachtende in die Arbeiten hinein imaginieren kann. Tatsächliche Körper werden zu Stellvertretern. Oft sind meine Arbeiten so groß, weil es darum geht, eine körperliche Bezüglichkeit herzustellen.
Luise: Die Installation, an der du gerade arbeitest, wird Fragmente einer Treppe in Originalgröße zeigen. Ich kann sie in Gedanken betreten, ohne mich selbst kleiner oder sie größer zu denken.
Lucy: Genau. Der Mensch ist immer mitgedacht.
Luise: Und Maßstab?
Lucy: Ganz sicher. Oft sind die Reichweiten meines eigenen Körpers entscheidend für die Dimensionen der Arbeit.
Gala: In meinen Videos tauchen tatsächliche Körperteile auf. Sie sind stellvertretend für ein Ich im weitesten Sinne, für einen Körper, für einen Menschen. Es geht weniger um den konkreten Körper, als darum, Handlungen physisch nachspürbar zu machen.
Luise: Und was bedeuten deine Titel? Portrait I und II vermenschlichen in meiner Vorstellung die beiden fotografierten Porzellanservices. Bei ihrer ovalen und rechteckigen Form denke ich an Portraitmedaillons.
Gala: Jeder Gegenstand steht in Bezug zu einem Menschen. Er bezieht sich zum Beispiel in der Größe und Handhabbarkeit auf uns. Alles, was ich greifen kann, bezieht sich auf die Größe einer Handfläche. Alles, worauf ich sitzen kann, steht in Bezug zu einer Unterschenkelhöhe.
Lucy: Du nutzt industrielle Produkte, die viele tausende Male hergestellt wurden und schreibst ihnen zu, ein individuelles Portrait zu sein. Wann kippt es vom industriellen Gegenstand zu einer ganz persönlichen Objekt-Mensch-Beziehung?
Gala: In dem Moment, wo irgendjemand anfängt, das Ding wirklich zu sehen, wird es eigenständig. Und zwar nicht in einem festgesetzten Rahmen wie: ‚Das ist meine Schale und ich mach da meine Kartoffeln rein und schieb das in den Ofen’, sondern frei von jedem Imperativ, jeder direkten Funktionszuschreibung.
Lucy: Also ist nur der Blick auf das Objekt und nicht die gemeinsam gelebte Geschichte zwischen Mensch und Gegenstand entscheidend?
Luise: Aber das Service hat Lücken und ich sehe, dass Stücke fehlen. Dadurch denke ich die Geschichte des Objekts und den Gebrauch, bei dem vielleicht etwas zu Bruch gegangen ist, mit.
Gala: Mein Ausgangsmaterial ist gefunden und nicht gemacht. Ich würde nicht einzelne Platten suchen und übereinander legen, sodass der Eindruck einer Geschichte des Gebrauchs entsteht. Mich interessiert das, was schon in dem Objekt an Erzählung und Projektionsfläche vorhanden ist. Das versuche ich herauszulösen und sichtbar zu machen.
Lucy: Julia, sind deine Objekte gefunden oder gemacht? Wie kommen Gefundenes und Gemachtes zusammen?
Julia: Bei mir gibt es zwei Kategorien von Objekten. Einerseits sind es die tatsächlichen Fundgegenstände, oftmals alltägliche Dinge des häuslichen Gebrauchs, die ich so verwende, wie sie sind, ohne die Objekte an sich zu bearbeiten. Ich versuche über den Umraum eine Veränderung in der Art des Sehens der Dinge zu bewirken. Mit der Funktion ist es so, wie das Gala gerade gesagt hat: dass jedem Nutzgegenstand eine ziemlich genaue Angabe innewohnt, die sagt, wie man ihn zu verwenden hat. Ein Stuhl, auf den setze ich mich. Vielleicht stelle ich mich auch drauf, nutze ihn als Verlängerung meines Körpers oder ich lege etwas darauf ab. Aber alle diese Handlungen, die ich mit dem Stuhl vollziehe, sind ganz klar einem Nutzen untergeordnet. Ich finde in meinen Arbeiten durch eine Neuverortung heraus, was der Gegenstand noch sein kann – fernab dieses Nutzens, weil mich diese genauen Angaben langweilen. Ich schaue, wie der Stuhl gedreht werden kann oder was mit zwei Stühlen passiert, wenn sie verdreht ineinander gestellt werden, um sie davon zu befreien, was sie die ganze Zeit sein müssen. Das sind die gefundenen Objekte. Die gemachten Objekte sind von der Thematik ganz ähnlich, aber ich nähere mich aus einer anderen Richtung. Ich bringe Material, vorrangig Metall, in Formen, die an Verwendung erinnern. Aber letzten Endes ist es ein Auflaufenlassen von Funktion. Ich spiele mit Erwartungshaltungen, mit gängigem Handlungswissen. Das Funktionsversprechen, das in der Formensprache meiner Gestelle liegt, wird nicht eingelöst.
Luise: Du, Paula, verwendest in deinen Arbeiten ebenfalls oft Alltagsgegenstände: Küchenmesser, Pappbecher, eine Modelleisenbahn, Luftballons. Sie werden dann, so nehme ich es wahr, durch eine Bewegung oder eine fragile Balance in einen anderen Zustand versetzt. Dieser Zustand ist manchmal grotesk, manchmal fast verzaubert. Wie wichtig ist es, dass der Kontext der Gegenstände verschoben wird – oder sollen sie gerade mit ihren ursprünglichen Bedeutungen aufgeladen bleiben? Das würde mich auch im Vergleich zu Julias Arbeiten interessieren.
Paula: Ich suche mir Material und Gegenstände, die mich gerade wegen einer bestimmten, ihnen innewohnenden Eigenschaft interessieren. Dann verstärke bzw. pointiere ich einzelne Eigenschaften oder störe den Nutzen der Dinge. Dadurch geht ihr ursprünglicher Sinn aber nicht verloren. Ihr Kontext bleibt bestehen. Die Uhr zum Beispiel tickt und misst die Zeit. Ich stoppe ihren Zeiger mit einem Hindernis. Er versucht jede Sekunde aufs Neue, die Barriere zu überwinden. Die Funktion der Uhr wird behindert. Ihr Sinn ist ersichtlich, wird aber gestört. Doch nicht immer wird ein Ablauf gestört. Ich mache mir auch Funktionen und Kontexte zu nutze und kombiniere sie mit Gegenständen aus anderen Bereichen. Daraus entstehen neue Situationen. Aber es geht immer irgendwie ums Scheitern.
Lucy: Ich finde, die Gegenstände, die du nutzt, werden zu Symbolen.
Luise: … oder Metaphern für menschliche Beziehungen oder Zustände.
Paula: Wie geht ihr mit dem Alltäglichen oder dem euch Umgebenden um?
Lucy: In meiner Arbeit taucht das Alltägliche nur als Zitat auf. Ich schaffe immer neu, auch wenn die Objekte bekannte Dinge referieren – etwa Kleidung oder Wohnräume. Alltägliches ist Ausgangspunkt, wird aber nur in Teilen von mir aufgegriffen. Es geht dann nicht mehr um den auslösenden Raum, sondern um ein Bild für Raum.
Luise: Früher war mir wichtig, dass meine Bilder möglichst auf nichts außerhalb von ihnen verweisen. Zur Zeit kann das, was mich fasziniert, Ausgangspunkt werden. Meistens werden diese Anfänge im Laufe des Prozesses wieder unwichtig, wie du, Lucy, es auch beschreibst. Viele neuere Arbeiten beschäftigen sich beispielsweise mit Wellen. Ausgangspunkt dafür ist meine Faszination für sich immer wieder verändernde Wasseroberflächen. Beim Zeichnen geht es mir aber nicht darum, diese, sei es auch sehr abstrahiert, abzubilden. Ich entwickle daraus etwas, das wieder eigenständig wird. Das Wesen der Wasseroberfläche ist dann nicht mehr der Maßstab, sondern das Bild an sich.
Gala: In der Welle ist die Bewegung und die Form und die Form in ihrer Wiederholung. Eigentlich eine fast unendliche Wiederholung. Aber ich sehe auch den Prozess des Machens, indem ich mit den Augen die Spuren verfolge und mir die Hand vorstelle, die diese Spur in Tusche zieht. Wie ist bei dir das Verhältnis vom Prozess des Machens und der fertigen Zeichnung?
Luise: Das hängt beides zusammen, weil man, so wie du es beschreibst, das Machen in der Zeichnung sieht. Die Bilder bekommen dadurch eine Zeitlichkeit. Mir geht es ja gerade um das Variable, das Unperfekte, das Lebendige, das gleichzeitig so präzise ist, dass es erstmal wie eine Wiederholung scheint.
Lucy: Gesetzmäßigkeiten treten für mich in den Vordergrund.
Luise: Ja, Gesetzmäßigkeiten und Systeme. Aber auch ihre Störungen.
Lucy: Wann schließt du einen Prozess aus? Wann zeigst du etwas nicht?
Luise: Ich arbeite immer in Bildreihen, die jeweils einem bestimmten Liniensystem folgen. Meistens braucht es viele Bilder und viel Zeit, bis sich ein System so konzentriert, dass das Bild zum Bild wird und es nicht nur aneinander gefügte Linien bleiben. Oft sind Zeichnungen gut, wenn sie reduziert und präzise sind, aber trotzdem Unregelmäßigkeiten zeigen. Sie sollen präsent sein und sehr konzentriert. Ich entscheide beim Angucken. Du siehst am Ende, denke ich, welches Bild wirklich gut ist.
Lucy: Gibt es Prozesse, die nach einem großen Format verlangen und andere, die sich nur im Kleinen entfalten können?
Luise: Zu Beginn habe ich nur große Formate gezeichnet. Ich will, dass die gezeichnete Fläche zum Gegenüber wird, dass sie ein ähnliches Volumen hat wie mein Körper. Viele Serien möchte ich unbedingt groß sehen, weil ich die Möglichkeit haben will, die Ränder weniger mit im Blickfeld zu haben. Sie geben den Augen am meisten Orientierung.
Lucy: Ja, ich erinnere mich an eine große Arbeit, die anfängt zu flirren, wenn man sie länger anguckt. Man wird sich auf einmal über seinen eigenen Stand unsicher, weil das Bild anfängt zu arbeiten.
Luise: Ja, und das funktioniert im kleinen Format weniger, weil ich immer die rettenden Ränder sehe.
Lucy: lacht
Julia: Oft ist das die erste Reaktion, wenn wir uns in einem unserer Ateliers treffen und uns Arbeiten zeigen: Lachen.
Gala: Ich denke, Mehrdeutigkeit und Andersdeutigkeit sind dabei wichtig. Alles was irgendwie absurd, grotesk, witzig, lachhaft ist, bringt dich in eine Situation der Unsicherheit. Lachen ist oft Ausdruck von Überraschung oder Verunsicherung. Diese Verunsicherung hat die Kraft, Bestehendes in Frage zu stellen. Etwas kommt ins Wackeln, weicht sich auf. Vielleicht ein Gedanke oder eine Vorstellung von etwas. Es kann auf den ersten Blick sogar lächerlich oder primitiv wirken, aber du gehst in diesem Moment aus etwas raus, hast die Chance, etwas Festes spielerisch aufzulösen und es neu zu sortieren. Humor ermöglicht diesen Freiraum.
Lucy: Er schützt auch vor Pathos.
Luise: Meine eigene künstlerische Arbeit ist durch und durch geprägt von Wiederholungen und ganz langsamen Veränderungen. Ihr erschließt euch immer wieder neues Material und könnt weniger auf Routinen zurückgreifen. Trotzdem spielen Wiederholungen eine Rolle in euren Arbeiten. Könnt ihr beschreiben, an welchen Stellen? Was lösen sie aus?
Paula: Ich erzeuge Loops. Fast alle meiner Arbeiten haben ein Bewegungselement und führen immer wieder dieselbe Handlung aus. Veränderungen in der Bewegung sind nicht vorgesehen. Meine Objekte fahren endlos im Kreis, versuchen Hindernisse zu überwinden oder über sich selbst hinaus zu wachsen. Aber es kommt nie dazu, dass sie etwas Neues in Gang setzen.
Luise: Es schwingt dabei Vergeblichkeit und Beharrlichkeit mit.
Paula: Genau. Und das ist vielleicht auch wieder ein bisschen lustig. Meine Objekte akzeptieren ihr Scheitern einfach nicht. Für mich stellen Loops einen schönen Ausruf von Vergeblichkeit her. Das meine ich gar nicht negativ. Ich blicke eher mit liebevollem Verständnis auf Loops.
Gala: Es hat etwas Rhythmisches. Dadurch werde ich auf mich selbst in der Zeit zurückgeworfen.
Lucy: Ich denke gerade an Galas Arbeit mit dem sich drehenden Bein. Man weiß nicht, wie oft es sich in einem Durchlauf dreht. Einmal? Fünfzigmal? Der Loop führt dazu, dass ich das Bein als etwas Ausgestelltes wahrnehme. Der Blick richtet sich auf die feinen Linien zwischen den Muskeln, verharrt auf dem blauen Fleck. Man löst das Bein gedanklich aus dem körperlichen Zusammenhang.Ich selbst nutze die Bewegung in den kinetischen Plastiken, um den unbelebten Dingen eine Wesenhaftigkeit oder Lebendigkeit zu geben. Zum Beispiel bei der Arbeit Habitant, die durch Elektromotoren im Inneren bewegt wird und dadurch zuckt und bebt.
Luise: Die Lebendigkeit spielt bei der Wiederholung in meinen Zeichnungen auch eine große Rolle. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden sich die Linien und Liniensysteme wiederholen. Aber dadurch, dass die Wiederholung nicht maschinell, sondern mit der Hand ausgeführt wird, ist sie überhaupt nicht möglich. Ich rechne mit Veränderung. Ohne sie würden mich die Bilder nicht interessieren.
Gala: Ich finde die Menschlichkeit der Wiederholung auch einen interessanten Punkt. Die ersten Rhythmen, die wir wahrnehmen, sind Schritte, Herzschlag, Atmung… Wiederholungen sind also etwas sehr Eingeschriebenes. Die Arbeit Observer von dir, Lucy, ist auf jeden Fall belebt. Nicht, weil ich einen Menschen hinter den Vorhängen vermute, sondern weil der Observer selbst sich bewegt.
Luise: Gala, warum konzipierst du die meisten deiner Videos als Loop?
Gala: Es ist für mich, wie Lucy vorhin gesagt hat, eine Art des genauen Betrachtens. Irgendwann siehst du die Adern auf dem Bein, die Strukturen im Knistern der Folie und die Lichtreflexionen. Irgendwann siehst du den Unterschied zwischen zwei Atemzügen.
Luise: Es geht um die Dauer der Betrachtung?
Gala: Die Dauer – aber auch wie in deiner Arbeit, Luise, – die minimalen Unterschiede in der Wiederholung, die plötzlich wichtig werden und dadurch kleine Sachen groß werden lassen, sodass wir sie anders oder überhaupt erst sehen können.
Luise: Das Langsame oder auch das Wenige lässt etwas sichtbar werden, das sonst oft übertönt wird. Spielt Langeweile dabei eine Rolle?
Gala: Ja, sehr. Im Medium Video sind wir geprägt von Narrativen und Erwartungen. Du erwartest im Bewegtbild Handlung und einen klassischen Spannungsbogen. Wird das enttäuscht, ist es sehr unangenehm und nervig und manchmal schwierig auszuhalten. Aber wenn es gelingt, sich darauf einzulassen, kann es unglaublich bereichernd sein.
Julia: Ich glaube, bei mir tritt Zeit oder Wiederholung am ehesten im Kontext von Spuren der Benutzung auf. Also eher unterschwellig. Ein dreckiger Lappen, dem man ansieht, dass damit schon ganz viel geschrubbt wurde, hat einen ganz anderen Charakter, als einer, der blitzeblank aus der Verpackung kommt. Er spielt auf Handlung und Verwendung an. Auf Abnutzung, auf Zeit, die verstreicht, bis so ein helles Rot-Weiß zu einem matschigen Grau-Braun wird.
Lucy: Zeit interessiert mich in ihrer Gegenwärtigkeit, nicht als etwas, das verstreicht. Es geht mir um die Geschichte, die die Dinge in sich tragen. Schlaglichter. Bei dem Projekt Das Haus der Familie M. gehe ich den räumlichen Einschreibungen verschiedener Generationen nach. Ich interessiere mich für die verschiedenen Stadien ein und desselben Ortes und versuche, sie zu vergegenwärtigen.
Gala: Zeitebenen, die dann parallel auftauchen?
Lucy: Ja, genau.
GALA GOEBEL (*1991, Stuttgart) destilliert in ihren reduzierten Videos und Fotografien anhand kleiner Momentaufnahmen und mikroskopischer Akte einzelne Situationen, um diese gesondert zu beobachten. Es ist der permanente Versuch, der visuellen und inhaltlichen Flut der Umwelt (einer Art Umweltkatastrophe) zu begegnen. Ein Bewältigungsversuch der Überwältigung.
LUCY KÖNIG (*1988, Berlin) interessiert sich in ihrer bildhauerischen Arbeit für Grenzbereiche von Körpern; in Form von Figuren, Hüllen oder Architekturen. Welche Rolle spielen diese erweiterten Selbsträume im Zusammenspiel des Einzelnen und der Gesellschaft? Ihre Plastiken aus textilen Fasern, ob motorenbetrieben oder nicht, thematisieren häufig das Wechselspiel von Enge und Geborgenheit, Protektionismus und Voyeurismus.
JULIA MIORIN (*1989, Memmingen) beschäftigt sich in ihren installativen Arbeiten mit Dingen des häuslichen Gebrauchs, mit deren formalen, erzählerischen und dialogischen Potentialen. Sie befragt die Möglichkeitsräume jener Gegenstände und die damit verbundenen Gesten im Zuge räumlicher Neuverortungen. Mit schlichten, schmunzelnden Setzungen untergräbt sie die Trägerrolle von Displays und Funktionsmobiliar und enthüllt deren bildhauerische Eigenständigkeit.
LUISE VON ROHDEN (*1990, Gotha) sucht in ihren Zeichnungen nach Situationen größt möglicher Einfachheit, in denen sich zeigt, wie komplex das scheinbar Einfachste sein kann. In der Reihung von Ähnlichem tritt der Variantenreichtum des einzelnen Pinselstrichs hervor.
FRANZISKA PAULA WOLBER (1987, Berlin) nutzt Gegenstände des alltäglichen Lebens, um sie oftmals um eine leichte Bewegung zu erweitern. Die entstehenden Bilder sind von einer märchenhaften Rätselhaftigkeit, scheinen an gesetzten Zielen zu scheitern oder versuchen Hürden zu überwinden - Ihre Installationen und Objekte berichten vom Bemühen um etwas, von Abhängigkeiten und Beziehungen.
Das Gespräch wurde anlässlich der Ausstellung "This is not a picture, it’s a trace of a human act. This is not a repetition, it’s a thought on time. This is not a cheese, it’s a humble luxury." vom 02. Juni bis 30. Juni 2019 in der Galerie im Stammelbachspeicher (Hildesheim) geführt.
© Bild und Text Gala Goebel, Julia Miorin, Lucy König, Franziska Paula Wolber, Luise von Rohden
© 2021 Luise von Rohden, VG Bild-Kunst